Das neue Hinterbliebenengeld

Bisher war dem deutschen Schadenersatzrecht eine Entschädigung für den Verlust einer nahestehenden Person weitestgehend unbekannt. Es wurden Schmerzensgeldansprüche Hinterbliebener nur in engen Ausnahmefällen bejaht, wobei vorausgesetzt wurde, dass die psychischen Beeinträchtigungen deutlich über das Normalmaß von Trauer und Niedergeschlagenheit hinausgehen und Krankheitswert erreichen.

Durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, welches am 22.07.2017 in Kraft getreten ist, wird diese Situation nun geändert.

Hinterbliebene sollen künftig im Sinne einer Anerkennung ihres seelischen Leids wegen der Tötung eines ihnen besonders nahestehenden Menschen von dem hierfür Verantwortlichen eine Entschädigung verlangen können. Im Fall der fremdverursachten Tötung sieht das Gesetz in § 844 Abs. 3 BGB für Hinterbliebene, die zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid gegen den für die Tötung Verantwortlichen vor, der sowohl bei der Verschuldens- als auch bei der Gefährdungshaftung gewährt wird.

Voraussetzung ist ein „besonderes Näheverhältnis“ zwischen der getöteten Person und dem Hinterbliebenen, wobei dieses bei Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern und Kindern vermutet wird. Dem Schädiger (bzw. dessen Schadensregulierer = Versicherung) ist durch diese Regelung eröffnet, die gesetzliche Vermutung des besonderen Näheverhältnisses zu widerlegen. Relevanz wird diese Widerlegung der gesetzlichen Vermutung wohl insbesondere bei getrennt lebenden Ehegatten oder bei nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden minderjährigen Kindern entfalten.

Der Gesetzgeber hat die Höhe der Entschädigung nicht gesetzlich festgeschrieben. Eine „Berechnung“ des immateriellen Schadens ist naturgemäß nicht möglich, da menschliches Leid nicht in Geld messbar ist. Die Gerichte werden daher -analog zur jetzigen Praxis bei Körper- und Gesundheitsverletzungen- die Entschädigungshöhe am konkreten Einzelfall bestimmen und vergleichbare Einzelfallentscheidungen heranziehen. Die bisherige Praxis bei Schmerzensgeldentscheidungen hat gezeigt, dass dennoch eine konsistente Entschädigungspraxis nicht ausgeschlossen ist. Auch ein eventuelles Mitverschulden des Primäropfers wird nach der Gesetzessystematik Berücksichtigung bei der Bemessung der Entschädigungshöhe finden müssen.

Das Hinterbliebenengeld ist ausschließlich unter Berücksichtigung des verfolgten Zwecks zu bemessen. Ziel des Hinterbliebenengeldes ist nicht, die wirtschaftlichen Nachteile etwa infolge des Todes des Familienernährers zu kompensieren, sondern soll einen Ausgleich der seelischen Nachteile, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten, entschädigen.

Das Gesetz lässt im Übrigen keinen Zweifel daran, dass das Hinterbliebenengeld -entgegen etwa der Regelung in Großbritannien- jedem nahen Angehörigen gesondert zusteht. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld ist übertragbar und vererbbar.

Eine Potenzierung der Ansprüche ist jedoch zu vermeiden. Kommen bei einem Unfall beispielsweise die Eltern zu Tode, besteht für die Kinder jeweils ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld für Mutter und Vater. Ein zusätzlicher Anspruch auf Hinterbliebenengeld wegen der Tötung des jeweils anderen Ehegatten, welchen die Kinder erben könnten, kommt jedoch nicht in Betracht.

Im Schadenfall sind die alternativen Ansprüche aus einem Verkehrsunfall genau zu berechnen. Die dargestellten Erläuterungen können nur einen kleinen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten der Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld geben. Bei Problemen bei der Ermittlung der jeweiligen Schäden wird empfohlen, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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D. Stein
Fachanwalt für Sozialrecht