Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 21.09.2021 entschieden:


1. Nach dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ hat der eine Vergütung verlangende Arbeitnehmer darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er vertragsgemäße Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt.

2 .Verlangt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für geleistete Überstunden, so hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat (BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 29, juris), und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist.

Wir zitieren aus der Entscheidung:

Erbringt ein Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen.


Der/ie Arbeitnehmer/in muss vortragen, welche konkreten Arbeitsanweisungen der Arbeitgeber für welche Zeiträume erteilt hätte, dass die ihm/r hiernach übertragenen Aufgaben in dem vorgegebenen Zeitrahmen nicht hätten bewältigt werden können. Der/ie Arbeitnehmer/in muss vortragen, dass dies nach ihrer eigenen Einschätzung notwendig gewesen sei. Der/ie Arbeitnehmer/in muss vortragen, welche der ihm/r übertragenen Aufgaben aufgrund welcher Umstände in der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit aus welchen Gründen nicht hätten erledigt werden können.


Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und ggf. gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten (BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 22, juris).


Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als – neben der Überstundenleistung – weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung ist höchstrichterlich formuliert, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein müssen. Die Darlegungs- und Beweisleist dafür, dass
geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer, wann, auf welche Weise, wie viele Überstunden angeordnet hat (BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 13 ff., juris).


Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 17, juris).


Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss ausdrücklich geschehen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Dazu reicht aber die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht aus. Vielmehr muss der Arbeitnehmer darlegen, wer, wann, auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein (BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 19, juris).


Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen, wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise, wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 21, juris).


Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:


Der beklagte gemeinnützige Verein trägt zusammen mit einem weiteren Verein den R. Lokalsender L., der sich aus Projekten mit verschiedenen Organisationen, den Mitgliedsbeiträgen der Vereine sowie Sponsoring finanziert. Bei ihm sind durchschnittlich bis zu zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die 1974 geborene Klägerin war aufgrund befristeten Arbeitsvertrages zunächst vom 01.08.2012 bis zum 31.12.2013 bei dem Beklagten als Projektleiterin und Radio-Fachanleiterin mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden und einer Verteilung dieser Arbeitszeit auf die Wochentage Montag bis Freitag beschäftigt. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrages sollte die Verteilung der Arbeitszeit nach pflichtgemäßem Ermessen der Mitarbeiterin in Abhängigkeit von den betrieblichen Erfordernissen erfolgen.


Am 17.09.2012 meldete der des Beklagten dem Landesmedienausschuss, dass die Klägerin mit sofortiger Wirkung die Funktion der Programmverantwortlichen entsprechend RundfG M-V wahrnehme. Unter dem 28.11.2013 haben die Parteien einen für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2015 befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.


In den Wochenpläne haben alle Beteiligten ihre jeweiligen Anwesenheitszeiten, Aufgaben etc. handschriftlich eingetragen. Die Pläne waren in der Redaktion für drei oder vier Wochen ausgehängt. Mit E-Mail vom 23.09.2014 hat die Klägerin dem Vereinsvorstand mitgeteilt, dass sie in der ersten August-Woche 67 Stunden, in der ersten September-Woche 47 Stunden, in der zweiten September- Woche 46 Stunden und in der dritten September-Woche 56 Stunden gearbeitet habe.


Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30.09.2015.


Mit ihrer Klage hat die Klägerin Zahlungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend gemacht mit der Behauptung, sie habe u.a. mit dem Beklagten ein zweites Arbeitsverhältnis über die Tätigkeit als Programmverantwortliche begründet, deren Erbringung nur gegen eine Vergütungszahlung erwartet werden könne. Sie habe zu vergütende Mehrarbeitsleistungen, in einem weit über das vereinbarte wöchentliche Arbeitszeitmaß von 24 Stunden hinausgehend, erbracht. Hilfsweise hat sich die Klägerin darauf bezogen, dass von ihr Innerhalb des über die Tätigkeit als Projektleiterin und Fachanleiterin abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses zusätzlich erbrachte Arbeitsstunden zu vergüten seien. Sie habe Mehrarbeit geleistet, welche aufgrund der Aufgabenkataloge und der Sendezeiten unvermeidlich gewesen seien.


Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die erhobenen Zahlungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten nach den klägerischen Darlegungen nicht zugesprochen werden können. Es ist der Klägerin auch mit der Berufung nicht gelungen, die Erfüllung der Voraussetzungen von Zahlungsforderungen gegen den Beklagten vorzutragen.


Die Klägerin hat nicht dargetan, wer von dem Beklagten in dementsprechender verantwortlicher Stellung, welche Arbeitsanweisung erteilt bzw. Arbeitsleistung als solche entgegengenommen haben soll.


Es fehlt danach nicht nur an einer konkreten Darlegung einer Überstundenleistung, sondern zudem an der Veranlassung der Überstundenleistung durch den Beklagten. Insoweit liegt substantiierter mit tauglichem Beweisantritt unterlegter Vortrag der Klägerin nicht vor. Auch verhilft der klägerische Hinweis auf die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und die darin enthaltene Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit der Klägerin nicht weiter. Zweck der Regelungen dieser Richtlinie ist es nicht, dem Arbeitnehmer die Darlegung- und Beweisführung bei Wahrnehmung seiner arbeitsvertraglichen Rechte zu ermöglichen. Der Normzweck ist in keiner Weise ein vergütungsrechtlicher, sondern allein der Aspekt des Gesundheitsschutzes. Es soll die Berücksichtigung der Pausen und sonstigen Ruhezeiten der Arbeitnehmer durch die Behörden überwacht und sichergestellt werden.


Art. 31 Abs. 2 GRCh sieht nicht vor, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung pauschal oder gar unsubstantiiert behaupteter Überstunden hätte und verfolgt auch nicht diesen Regelungszweck (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.02.2021 – 8 Sa 169/20 – Rn. 124, juris). Eine Verletzung der öffentlich-rechtlichen Dokumentationspflicht durch den Arbeitgeber kann deshalb bei privatrechtlichen Vergütungsforderungen nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers angeführt werden. Die Berufung gegen das den Anspruch auf Überstunden abweisende Urteil wurde zurückgewiesen. Wir schlagen vor, Sie zu den konkreten Ansprüchen Ihrer Arbeitnehmer im Detail zu beraten täglich bis 22 Uhr– bundesweit! Vereinbaren Sie hierzu einen Besprechungstermin, einen Telefontermin oder senden Sie uns eine E-Mail.


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gez. M. Peper
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