Scheidung und Erbe: Geht mein Nachlass an den Ex? – Was Sie jetzt wissen müssen

Warum das Thema Erbrecht bereits während der Trennung höchste Bedeutung hat

In Zeiten einer angespannten Trennungssituation richtet sich die Aufmerksamkeit oft auf Unterhalt, Vermögen, die Wohnung und die Betreuung gemeinsamer Kinder. Häufig übersehen wird jedoch die erbrechtliche Dimension, die gerade während eines laufenden Scheidungsverfahrens erhebliche Risiken birgt. Es gehört zu den klassischen, immer wieder bestätigten Grundsätzen unseres Erbrechts, dass das gesetzliche Ehegattenerbrecht erst mit der rechtskräftigen Scheidung erlischt. Solange die Ehe lediglich getrennt gelebt oder die Scheidung lediglich beantragt ist, bleibt der Ehegatte erbberechtigt. Dies führt regelmäßig zu überraschenden und mitunter dramatischen Folgen, insbesondere, wenn der Erblasser in der Trennungsphase verstirbt und sein Vermögen dadurch in die Hände des getrenntlebenden Ehegatten fällt.

Der Gesetzesbefund: Ehegatten bleiben bis zur Rechtskraft der Scheidung gesetzliche Erben

Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ergibt sich aus § 1931 Absatz 1 BGB, der bestimmt: „Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel als gesetzlicher Erbe berufen.“ Dieses Erbrecht bleibt unberührt, solange die Ehe nicht rechtskräftig geschieden ist. Die bloße Trennung ändert daran nichts. Selbst ein seit Jahren getrenntlebender Ehegatte behält daher seinen gesetzlichen Erbanspruch, solange kein endgültiger Auflösungsakt der Ehe erfolgt ist.

Die einzige gesetzliche Ausnahme enthält § 1933 BGB, der ausdrücklich regelt: „Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.“ Diese Vorschrift greift jedoch nur dann ein, wenn die Voraussetzungen der Scheidung tatsächlich vorlagen und ein Scheidungsantrag gestellt oder die Zustimmung erklärt worden war. Die Erfahrung zeigt, dass diese Hürde in der Praxis häufig zu spät oder nicht vollständig erfüllt wird, weil es an der rechtzeitigen Antragstellung oder an der gerichtlichen Dokumentation des Scheiterns fehlt. Erst wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, entfällt das gesetzliche Ehegattenerbrecht kraft Gesetzes.

Warum auch ein Testament den Ehegatten nicht immer ausschließt

Viele Mandanten nehmen an, dass ein Testament, das den Ehegatten nicht mehr berücksichtigt, automatisch wirksam ist und das Erbrecht des getrenntlebenden Partners beseitigt. Wir müssen jedoch immer wieder klarstellen, dass ein solches Testament lediglich die Erbenstellung beeinflusst, jedoch nicht die Pflichtteilsrechte beseitigt. Der Ehegatte bleibt nämlich nach § 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB pflichtteilsberechtigt, solange die Scheidung nicht rechtskräftig ist und § 1933 BGB nicht eingreift. Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und richtet sich als reiner Geldanspruch unmittelbar gegen die Erben.

Dies bedeutet in der Praxis, dass der getrenntlebende Ehegatte selbst dann erhebliche Beträge verlangen kann, wenn er im Testament ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Ohne rechtzeitige erbrechtliche Gestaltung lässt sich dies kaum verhindern. Wir beobachten häufig, dass der Pflichtteil des Ex-Partners eine erhebliche Belastung des Nachlasses darstellt und zudem in Konfliktsituationen zu erheblichen Auseinandersetzungen unter den Hinterbliebenen führt.

Was geschieht im offenen Scheidungsverfahren? – Rechtslage zwischen Antrag und Rechtskraft

Wenn sich die Eheleute im Scheidungsverfahren befinden, führt dies noch nicht zum Entfall des Ehegattenerbrechts. Erst die Rechtskraft der Scheidung beendet das gesetzliche Erbrecht vollständig. Bis dahin gilt der getrenntlebende Ehegatte unverändert als Erbe. Der Gesetzgeber wollte damit die Ehe bis zum formellen Abschluss schützen und hat daher eine klare Zäsur vorgesehen: Solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, bleibt das Erbrecht bestehen. Das gilt selbst dann, wenn die Ehe seit Jahren zerrüttet ist, keine gemeinsame Lebensführung mehr besteht oder schwerwiegende Konflikte herrschen.

Der entscheidende Punkt liegt deshalb darin, ob § 1933 BGB eingreift. Diese Vorschrift verlangt, dass die Ehe objektiv geschieden werden könnte und der Erblasser den Scheidungsantrag gestellt oder der Scheidung zugestimmt hat. Wir stellen immer wieder fest, dass diese Fallkonstellation nur dann zuverlässig dokumentiert ist, wenn der Scheidungsantrag bereits beim Familiengericht eingegangen ist oder die Zustimmung des Ehegatten schriftlich erklärt wurde. Ohne eine klare Antragstellung bleibt der überlebende Ehegatte weiterhin erbberechtigt. Viele Betroffene vertrauen darauf, dass „Getrenntleben“ die erbrechtliche Bindung auflöst. Tatsächlich aber bleibt die Ehe rechtlich bestehen – und mit ihr das gesetzliche Erbrecht.

Die Bedeutung der güterrechtlichen Stellung – zusätzliche Ansprüche des Ehegatten

Neben dem Erbrecht selbst spielt während der Trennung auch der Güterstand eine wesentliche Rolle. Lebt das Ehepaar in einer Zugewinngemeinschaft, hat der überlebende Ehegatte im Erbfall zusätzlich Anspruch auf den pauschalen Zugewinnausgleichserhöhungsbetrag nach § 1371 Absatz 1 BGB, sofern die Ehe nicht rechtskräftig geschieden war. Diese Norm bestimmt: „Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet, so erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel.“ Damit erhalten Ehegatten nicht nur ihr gesetzliches Erbrecht, sondern zugleich einen erbrechtlichen Vorteil aus dem Güterstand, der sich zu ihren Gunsten erheblich auswirken kann. In vielen Fällen führt dies dazu, dass der getrenntlebende Ehepartner insgesamt einen erheblichen Teil des Nachlasses erhält.

Gerade in Trennungsphasen kann dies zu Ergebnissen führen, die dem wirklichen Willen des Erblassers diametral widersprechen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Rechtsfolgen vielen Betroffenen nicht bewusst sind und dass sie erst nach einem Todesfall sichtbar werden, wenn es für eine Gestaltung zu spät ist.

Wie Sie Ihr Vermögen rechtzeitig schützen – klassische Strategien und bewährte Vorsorge

Wir raten unseren Mandanten seit jeher, die erbrechtliche Gestaltung nicht auf die Zeit nach der Scheidung zu verschieben, sondern bereits am Beginn oder während der Trennungsphase aktiv zu werden. Ein klar formuliertes Testament, das den getrenntlebenden Ehegatten enterbt, schafft erste Sicherheit. Allerdings ersetzt dies nicht die Notwendigkeit, sich mit § 1933 BGB auseinanderzusetzen, da Pflichtteilsrechte nur entfallen, wenn die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Deshalb gehört es zu einer vorausschauenden Nachlassplanung, den Scheidungsantrag frühzeitig zu stellen, Beweise für das Scheitern der Ehe zu sichern und die verfahrensrechtliche Dokumentation sicherzustellen.

Wir empfehlen zugleich, im Testament präzise zu regeln, wer als Erbe eingesetzt wird, wie der Nachlass verwaltet werden soll und welche Personen anstelle des Ehegatten bedacht werden. Auch ergänzende Anordnungen, wie Testamentsvollstreckung oder Vor- und Nacherbschaften, können sinnvoll sein, um den Einfluss des getrenntlebenden Partners vollständig auszuschließen.

Fazit: Erbrecht und Scheidung gehören untrennbar zusammen – handeln Sie rechtzeitig

Die Verbindung von Scheidungsrecht und Erbrecht führt häufig zu Ergebnissen, die ohne rechtliche Beratung kaum vorhersehbar sind. Wer während einer Trennungsphase nichts regelt, riskiert, dass der getrenntlebende Ehegatte trotz zerrütteter Beziehung erhebliche Teile des Vermögens erhält. Nach klassischem Verständnis ist die vorausschauende Gestaltung des Nachlasses ein wesentlicher Bestandteil der persönlichen Vorsorge und schützt sowohl Angehörige als auch das Vermögen selbst.

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gez. M. Peper
Fachanwältin für Erbrecht
Zertifizierte Testamentsvollstreckerin
Fachanwältin für Familienrecht
Zertifizierte Mediatorin

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